HIER finden Sie unser Positionspapier zum Download als pdf oder im folgendem als Text hier auf unserer Website
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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitstreiter:innen für mehr Chancengleichheit in Berlin,
vor gut fünf Jahren gründete sich die Edusation gemeinnützige Gesellschaft für Integration und Sprachförderung mbH. Den Anstoß für die Gründung gab die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, mit der ich aufgrund der Entwicklung eines Sprachförderprogramms mit theater- und kunstpädagogischen Methoden eine langjährige Kooperation pflegte. Die Gründung war eine kreative Antwort auf ein Problem, das in den Jahren 2015/16 dramatisch an Relevanz gewann: der Mangel an Sprachförderplätzen im Rahmen des §55 Berliner Schulgesetz. Ziel des Gesetzes ist es, alle Kinder, die keine Kita besuchen und einen Sprachförderbedarf haben, verpflichtend zu fördern, damit der Einstieg in die Grundschule gelingt.
Erst in Notunterkünften, dann in Gemeinschaftsunterkünften und Schulen und seit 2020 auch an eigenen Standorten, schaffte die Edusation gGmbH Förderplätze an berlinweit aktuell sieben Standorten, an denen fast 700 Kinder aus über 20 Herkunftsländern erfolgreich auf dem Weg in die Grundschule begleitet wurden. Dabei hat sich das Konzept der Arbeit mit theater- und kunstpädagogischen Methoden, wie wir aus dem positiven Feedback der Schulen erfahren, eindrücklich bestätigt.
Die Pionierarbeit der Edusation gGmbH wurde im Jahr 2018 durch die Senatsverwaltung zu einem Regelangebot ausgebaut, welches seitdem auch von anderen Trägern angeboten werden kann. In verschiedenen Steuerungsrunden der Bezirke, durch Eingaben und Positionspapiere haben wir in der Vergangenheit unsere Expertise eingebracht und daran gearbeitet, die Fördersituation und Verwaltungsstrukturen zu verbessern. Dies möchten wir in Kooperation mit den Bezirken und der Senatsverwaltung weiterhin tun.
Die Qualitätskommission zur Schulqualität in Berlin bestätigt diese Notwendigkeit in Ihrem Abschlussbericht 2020 „Empfehlungen zur Steigerung der Qualität von Bildung und Unterricht in Berlin“. So fordert sie eine verlässliche Umsetzung, die sicherstellt, dass alle Kinder an der Sprachstandsfeststellung teilnehmen und soweit erforderlich verbindliche Förderung erfahren. Die Förderung der Nicht-Kita-Kinder mit explizitem Sprachförderbedarf solle dabei in flexiblen Strukturen stattfinden.
Viele Empfehlungen der Kommission setzen wir seit 2016 erfolgreich um. Doch gibt es weiterhin Verbesserungsbedarf. Wir sind nach wie vor in einer Situation, in der Eltern überfordert sind, die vorgeschriebenen Unterlagen für die Anmeldung einzureichen, in der viele Kinder nur kurz gefördert werden, da die Förderdauer mit 18 Monaten nicht parallel zu Kita- und Schuljahr verläuft, in der immer noch zu wenig Förderplätze vorhanden sind und gleichzeitig es große Schwierigkeiten gibt, die vorhandenen Plätze schnell zu vergeben.
Wir möchten Sie deshalb bitten unsere Vorschläge zur Verbesserung der Fördersituation im Rahmen des §55 Berliner Schulgesetzes zu unterstützen:
1. Verlängerung der Förderlaufzeit auf 24 Monate: Aktuell ergibt sich, bedingt durch den Sprachstandstest, der im Alter von 4 Jahren durchgeführt wird, eine Förderdauer von 18 Monaten vor der Einschulung. Praktiker*innen in den Bezirksämtern und Sprachberaterteams halten eine Anpassung auf 24 Monate, parallel zu Kita- und Schuljahr, für sinnvoll. Dies wird auch im Abschlussbericht der Expertenkommission empfohlen. Die aktuelle Regelung macht eine kontinuierliche Belegung der Förderplätze, mit all seinen logistischen und betriebswirtschaftlichen Nebeneffekten, unmöglich. Der Aufbau von Lerngruppen über längere Zeiträume wird erschwert, über das ganze Jahr müssen Kinder eingewöhnt werden, Personal muss akquiriert, geschult und in der Mitte des Jahres wieder freigestellt werden. Durch die Verlängerung der Förderlaufzeit könnten in den vorhandenen Standorten aktuell 53 Plätze mehr bereitgestellt werden.
2. Vereinfachte Zuführung: Mit Jugend- und Schulämtern verschiedener Bezirke arbeiten wir seit 2019 an verbesserten Verfahren, die die Belegung der vorhandenen Förderplätze gewährleistet. Sehr oft können Kinder nicht an der Förderung teilnehmen, weil die vorausgesetzten Unterlagen für die Anmeldung fehlen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Eltern verstehen die behördlichen Briefe nicht, der Zeitrahmen für verwaltungstechnische Abläufe ist zu kurz, die Verfahren sind in den verschiedenen Bezirken unterschiedlich, uvm. Edusation leistet hier Aufklärung bei den Eltern, unterstützt sie bei der Kommunikation mit den Ämtern und schafft damit die Voraussetzung zur Teilnahme an der Förderung. Wir wünschen uns ein berlinweit einheitliches vereinfachtes Verfahren, welches die Kommunikation mit den Eltern erleichtert. Gerne bringen wir unsere Erfahrungen und Expertise in die Vereinfachung der Verfahren und der Elternkommunikation ein.
3. Fachliche Unterstützung im sozial-emotionalen Bereich: Die Sprachförderung nach §55 ist als reines Sprachförderangebot angelegt. Es liegt allerdings auf der Hand, dass wir seit dem Beginn unserer Arbeit sehr anspruchsvolle pädagogische Aufgaben zu bewältigen haben. Viele Kinder bringen ein Paket sozial-emotionaler Themen und Probleme mit. Um darauf noch besser reagieren zu können, wünschen wir uns eine bessere personelle Ausstattung, teilweise auch von Fachpersonal. Es wäre deshalb sinnvoll, wenn auch in den §55 Angeboten Integrationserzieher:innen eingebunden werden könnten.
4. Regelhafte Unterstützung beim Ausbau der Förderangebote: Nach wie vor klafft eine Lücke zwischen Bedarf und Angebot an Förderplätzen. Ein weiterer Ausbau von Plätzen wird deshalb bei uns regelmäßig angefragt. Vor dem Hintergrund der Novellierung des §55 Berliner Schulgesetz, welches eine verpflichtende Bereitstellung von Plätzen innerhalb eines Monats vorsieht, bekommt dieser Ausbau einen noch höheren Stellenwert. Bisher haben wir in den Unterkünften sehr kurzfristig neue Standorte ausschließlich mit Eigenmitteln entwickelt. In anderen Bezirken wiederum werden größere Finanzmittel für den Ausbau von Förderstandorten zur Verfügung gestellt. Mit einer regelhaften Unterstützung für die Bereitstellung von Plätzen könnten die Bedarfe schneller abgedeckt werden.
5. Verbesserte Integration in das regelhafte Abrechnungssystem: Der innovative Charakter des Angebots ab 2016 hat oftmals eine ungenügende Einbindung in die Verwaltungsabläufe zur Folge. So konnte die ISBJ-Datenbank die Angebote nur ungenügend abbilden, Sprachfördergutscheine (Grundlage der Abrechnung) wurden teilweise verspätet ausgestellt, Corona-Maßnahmen (Masken, Tests, Zulagen) kamen bei Edusation nicht an uvm. Dies führte dazu, dass die monatliche Abrechnung einer Wundertüte glich, Eltern und Sozialarbeiter:innen irreführende Registrierungsmitteilungen bekamen und Gelder aufgrund von Abrechnungsproblemen Monate, teilweise Jahre, verspätet abgerechnet wurden. Eine betriebswirtschaftliche Planung, Personalaufbau und eine Verlässlichkeit des Angebots gestalteten sich so schwierig. Mit den Bemühungen unserer Ansprechpartner:innen in Bezirksämtern und Senatsverwaltung konnte die Situation schon verbessert werden. Trotzdem wünschen wir uns den politischen Willen, die verwaltungstechnischen Probleme zu lösen, Zulagen, Zuwendungen und Bereitstellung von Material für die Sprachförderung nach §55 verfügbar zu machen und somit dafür zu sorgen, dass das Förderangebot verlässlicher Teil der Berliner Bildungslandschaft werden kann.
Ganz besonders freuen wir uns über die sehr gute Zusammenarbeit mit einzelnen Bezirken und sind froh, dass wir auch im Rahmen dieses Positionspapiers auf deren Unterstützung zählen können. Wir wünschen uns, gemeinsam mit den Bezirken und mit Ihnen in den kommenden Jahren Chancengleichheit in Berlin noch stärker voranbringen zu können.
Gerade vor dem Hintergrund der Anpassung des §55 Berliner Schulgesetzes, welches eine verlässliche Zuweisung eines Förderplatzes einfordert, möchten wir gerne weiter unseren Beitrag für einen Ausbau von Plätzen leisten. Dies kann aber nur mit Ihrer Unterstützung gelingen.
Berlin im Februar 2022
Christian Liebisch
- Geschäftsführung -
Kontakt:
kommunikation@edusation.de
Telefon 0176 410 66 473